Blog 712 - 19.12.2021 - Schaumstoff-OP, Weihnachtsstimmung und Ölmalen

An meiner Nasenspitze ist vor einigen Monaten ein minikleiner Knubbel entstanden, den der Hautarzt als "da haben Sie Glück, das ist ein verkapseltes Muttermal, das können Sie so lassen" bezeichnet. Aber je nach Wetter wird der kleine Knubbel auch mal rötlich und sieht dann aus wie ein Pickel mitten auf der Nasenspitze. Das will ich nicht. Der soll weg! "Das wird weh tun", meint der Arzt. "Die Nase ist empfindlich. Also ich würd's an Ihrer Stelle nicht machen." So viel zur Arztmeinung, meine Meinung ist, dass ich den Knubbel nicht behalten will.

Es geht ganz schnell, tut tatsächlich für einige Sekunden ziemlich weh, auuuaaa!, ist aber auszuhalten. Vielleicht, weil ich es nach der Arztaussage noch schlimmer erwartet hatte. Warum danach das anschmiegsame Pflaster, das kreisrund auf meine frisch abgeschabte Nasenspitze geklebt wird, knallweiß sein muss, ist mir allerdings ein Rätsel. "Wie praktisch, dass Sie wegen Corona mit Mund-Nasenschutz herumlaufen, da sieht man das gar nicht", findet der Arzt zufrieden. Ja, finde ich auch. Bis ich im Auto sitze, die Maske abnehme und den blendend weißen Punkt auf der Nasenspitze habe. Ich sehe hinter dem Lenkrad wie ein Clown aus, der anstelle eines neckischen roten Kreises auf der Nase versehentlich einen weißen gemacht hat. Wenn ein vor mir fahrender Autofahrer mal kurz in den Rückspiegel guckt, wird er verwirrt nochmal gucken, weil er es nicht glauben kann. Soll ich nicht lieber die Maske während der Fahrt anbehalten? Aber das sieht ja auch bescheuert aus, wenn ich alleine im Auto sitze und eine Maske trage. Na gut. Rücken gerade, lächeln und ab nach Hause. Sollte jemand an der Ampel neben mir stehen und mich anstarren, kann ich huldvoll wie die Queen winken. 

Zu meiner Verwunderung kann ich abends schon das Pflaster abziehen und habe nur eine kleine verkrustete Wunde, die nicht mal weh tut. "Beim Inlinern mit der Nase aufgekommen", wäre eine schöne Erklärung. Da wirke ich total sportlich und sogar noch geschickt, weil ich elegant auf zwei Millimetern Nasenspitze bremsen kann. Leider fragt mich mal wieder niemand.

Vor zwei Jahren habe ich mit einer Klappmaulkatze begonnen und immer mal wieder kurz daran gearbeitet. Der Grund fürs Hinauszögern der letzten Schritte war ein Auge, an dem ich mich störte, weil es nicht schön positioniert war. Jetzt nehme ich mein Cutter-Skalpell und öffne den Kopf der Katze am Scheitel. Mal probieren, ob eine Augenkorrektur nicht am einfachsten von innen zu machen ist. Zum Glück habe ich vorher kein Hirn geschnitzt, das jetzt im Weg liegen könnte. Aber das ist ja nicht nötig, denn die Katze denkt bei mir mit. Mein Hirn reicht in diesem Fall tatsächlich für zwei.

Ich entferne Schaumstoff, wühle mich in den Kopf, wackel von innen an den Augenschalen bis der Kleber knackt, drehe, dehne und schiebe ein bisschen - und schon guckt die Katze besser. Ich hatte mit tiefen Schnitten, neuem Einkleben der Augen und mühsamem Flickwerk beim Vernähen gerechnet, aber das ging einfacher als gedacht. Die Kopfwunde vernähe ich sorgfältig, an den Hals kommt noch einen Fellkragen, in den ich einige miniwinzigkleine Zöpfchen flechte, am unteren Ende des Körpers nähe ich die Kanten um - fertig. Also fast. Es fehlen noch Krallen, deren Abwesenheit gar nicht auffällt. Die mache ich demnächst mal fertig und setze sie ein. Mit Schnurrbarthaaren überlege ich auch noch, aber die finde ich nicht unbedingt notwendig und lasse sie wahrscheinlich ganz weg. Hurra! Willkommen, spielbares und so gut wie ganz fertiges Katerchen!

An einem Abend gucke ich vor dem Schlafengehen kurz in die gerade erschienene Autobiographie von Rainald Grebe. Einfach schon mal in den Anfang reinschnuppern. Nach den ersten drei Seiten lege ich das Buch zur Seite, putze Zähne, ziehe mich um und gehe ins Bett. Mit dem Buch, denn ich möchte jetzt doch noch ein paar Seiten weiterlesen. Es ist 22:30 Uhr, mein Wecker klingelt um 6:15. Ich lese und lese und um 3:15 Uhr habe ich das Buch komplett durchgelesen und bin immer noch hellwach. Puh! Sehr heftig und berührend!

2004 habe ich Rainald das erste Mal auf der Bühne erlebt und war sofort fasziniert. Das bin ich bis heute. Vieles aus seiner Biographie kenne ich schon in Teilbereichen oder aus Erzählungen, aber so geballt und aus der Sicht eines Rehaaufenthaltes geschildert, ist es schon aufwühlend. Zwei Tage später erfahre ich, dass Dän von den früheren Wise Guys einen Schlaganfall hatte. Er kann schreiben und reden, was schon mal sehr klasse und ein guter Grund für Optimismus ist, aber ob er ganz schnell wieder komplett fit wird oder Einschränkungen behalten wird, ist natürlich noch nicht zu sagen. Auch da hoffe ich das Beste. Wie schnell es gehen kann, dass man aus dem "normalen" Leben geschubst wird und plötzlich vor ganz neuen Lebensfragen steht!

Dankbar dafür, dass bei mir momentan noch alles läuft - keiner weiß, wie lange - stricke ich an meinem Pulloverärmel. Ich rechne mir die benötigte Maschenanzahl und die Zunahmen genau aus, gucke dann aber nicht mehr auf mein Rechnungsergebnis, sondern auf einen Zettel mit anderen Zahlen. Dass ich Mathe-Dreisatz kann heißt also nicht, dass auch sonst schlau bin. Mit den falschen Zahlen mache ich in den ersten Reihen zu viele Maschenzunahmen und ärgere mich. Doch dann sehe ich, dass der Ärmel damit ziemlich weit und bequem wird. Das ist doch gar nicht so schlecht. Also erstmal weitermachen. 

Am Freitagabend gibt es ein Streamingkonzert von Maybebop mit ihrem Weihnachtsprogramm. In diesem Jahr wollte ich gerne wieder live bei einem der Auftritte dabei sein, aber bei der momentanen Coronasituation finde ich es online ziemlich gut. Eigentlich lege ich keinen Wert auf Weihnachtskonzerte. Ich bin so überhaupt kein Weihnachtswichtel und habe auch wenig Interesse daran, in Weihnachtsstimmung zu kommen. Draußen Nieselwetter, drinnen heißer Tee und ein schönes Buch - das ist die Stimmung, die ich - völlig unabhängig von Weihnachten - sehr gerne habe. Aber seltsamerweise schaffen es Maybebop mit ihrer Mischung aus Spaß, eigenen und traditionellen Weihnachtsliedern, Jazz und wunderbaren Harmonien ganz schnell, mich in klingelingeling-Weihnachtsstimmung zu bringen. Ich höre zwei Stunden lang zu, lächel, spüre innere Ruhe und freue mich plötzlich auf die Weihnachtstage und über jede leuchtende Lichterkette. Und das alles ausgelöst von einer schönen Stimmung, großartigen Arrangements und wunderbarem A-cappella-Gesang - ohne dicken Kitsch und glitzerndes Brimborium.

Brimborium - ein Wort, das ich äußerst selten nutze und bei dem ich gar nicht weiß, was es genau heißt. Bevor ich google, überlege ich, dass es vermutlich lateinischen Ursprung hat, also so was wie "brimbare - schmücken". Aber nein: "Brim·bo·ri·um" (das) - umgangssprachlich abwertend - etwas, was als unnützes Drumherum empfunden wird - stammt vom französischen Wort „brimborion“ (Lappalie) ab. Ah so. Aber was heißt denn jetzt genau Lappalie? "Lappalie" (die) - als unbedeutend empfundene Sache - ist eine vermutlich von Studenten scherzhaft gebildete latinisierende Ableitung aus dem deutschen Wort "Lappen" mit einer lateinischen Endung. Wird seit dem 17. Jahrhundert benutzt. - Wieder was gelernt. Lappen, Lappaliae, Lappalien. Ob es mir nützt - abwarten.

Vor einigen Wochen war ich zu Besuch im Offenen Atelier von Torsten Wolber. Seitdem möchte ich mal ein Bild von ihm kaufen und außerdem genauso malen können wie er. Ganz unerwartet sehe ich, dass er einen Online-Malkurs gibt, und völlig unüberlegt und spontan melde ich mich an. Ha! Da muss ich mir gar kein Bild von ihm kaufen, da male ich es mir einfach selbst! Nee, das ist Spaß! Und angesichts meiner geringen Erwartungen an meine Leistungen als Beginnerin beim Alla prima-Contemporary-Ölmalen gehe ich nicht davon aus, dass ich nachher ein Bild habe, das ich überhaupt aufhängen möchte. Aber das ist ja auch gar nicht mein Ziel.

Eigentlich wollte ich im nächsten Frühjahr mal alleine mit Ölfarben herumprobieren und erstmal sehen, wie das funktioniert. Jetzt probiere ich den Umgang mit Ölfarben und das Umsetzen eben gleich unter der Anleitung eines professionellen Malers, was mir vermutlich einige blöde Fehler ersparen wird. Andererseits erhöht es auch meinen eigenen Druck, weil ich nicht mehr so spielerisch und lässig an die Sache gehe, sondern auch eine Art Ergebnis für mich selber haben möchte. Aber das Ergebnis darf auch sein, dass ich lieber ohne Anleitung probiere oder dass mir Ölfarben oder Alla prima-Malerei so gar nicht liegen. Oder dass ich genau weiß, was ich malen möchte, es aber nicht hinbekomme. Aber ausprobieren, lernen, Spaß haben - das ist es.

Weil ich so überstürzt den Kurs gebucht habe, muss ich jetzt erstmal ebenso überstürzt Farben, Pinsel, Malmittel und Palette besorgen. Auch da hilft der Kurs schon sehr, weil Torsten Wolber - in Lektion 2, die ich mal schnell vorziehe - gut erklärt, was gebraucht wird. Leinöl? Gesso? Ich habe vom Ölmalen echt keine Ahnung. Weil ich außer einer Staffelei bisher gar nichts habe, ist das dann doch ganz schön viel, was ich zum Einsteigen brauche. Einen Platz zum Malen habe ich übrigens auch noch nicht. Da werde ich mir erst eine Ecke im Arbeitszimmer freiräumen müssen. Ideal ist das nicht, aber die Ausrede, dass ich nicht malen kann, weil ich kein Atelier habe, zieht nicht. "Wer nicht will, findet Gründe, wer will, findet Möglichkeiten" - ein Spruch fürs Leben.

Noch kann ich gar nicht loslegen, weil erstmal die bestellten Sachen ankommen müssen und ich mir noch eine Leinwand kaufen muss. Und dann die Arbeitszimmerecke irgendwie freiräumen. Und die Staffelei aus einer Kellerecke kramen ... aber spätestens im Januar! So richtig Zeit habe ich dafür in meinem gerade recht vollen Alltag nicht, aber es ist ganz gut, dass ich jetzt loslegen muss, denn wenn ich auf freie Zeit warte, male ich im Sommer noch nicht. Hach, ich bin gespannt!

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