Blog 612 - 19.01.2020 - Abschiedsgefühle, Kameras und Springmesser

Die ersten wehmütigen Abschiedsgefühle sind bei den Vorbereitungen der "12 Geschworenen" zu spüren. Das Stück läuft sehr gut und wird immer intensiver, wir sind eine harmonische Gruppe - und am nächsten Wochenende wird Schluss sein. Dabei sind wir jetzt so gut drin und so textsicher, dass wir Tische und Stühle in den Bus einladen, hinterher steigen und wochenlang auf Tournee gehen könnten.

Auch fürs heimische Theater gäbe es noch genügend Zuschauer, wir müssen jedoch alle Anfragen mit "total ausverkauft" beantworten, denn mehr Leute gehen nicht rein. "Aber ich habe gehört, es wäre ganz toll und ich soll es unbedingt angucken!" "Ähm, ja, aber es gibt keine freien Plätze mehr und weitere Termine auch nicht." Die große Dernière am nächsten Sonntag wird wirklich die letzte Vorstellung sein.

Vom Wochenende im Geschworenenzimmer in New York geht es für mich weiter in die MMC-Studios in Köln, wo ich drei Tage lang bei den Aufzeichnungen der neuen "Woozle Goozle"-Staffel dabei bin. Filmaufnahmen mit Puppen machen mir viel Spaß, und da auch das Team aus vielen netten Leuten besteht, ist alles ein großes Vergnügen.

Gut finde ich, dass ich am Vorabend noch als Regisseurin mit meiner Gruppe zusammen Standig Ovations vom begeisterten Publikum entgegengenommen habe, zu anderen Zeiten selber mit Solo-Puppenstücken auf der Bühne stehe und dabei in verschiedenen Stimmen krächze, rufe und spreche, jetzt aber überhaupt kein Problem damit habe, unsichtbar und stimmlos zu arbeiten. So ganz ohne Verantwortung für das Endergebnis ist das sogar recht entspannend. Wir arbeiten konzentriert und lachen viel - so macht es Spaß.

In der Zwischenzeit buddeln zuhause die unbeaufsichtigten Kaninchen Löcher im Freigehege. Ich würde ihnen den Spaß ja gerne gönnen, weiß aber, dass meine früheren Kaninchen nur knapp unter der Oberfläche unterirdische, vermutlich kilometerlange Gänge mit diversen Abzweigungen und Ausgängen gegraben haben, auf die die jetzigen Bewohner nicht stoßen sollten. Die drei sind zu klein, zu flink und auch zu scheu, um sie außerhalb ihres Geheges wieder einzufangen. Also schütte ich, umgeben von drei neugierig schnuppernden Kaninchen, die Löcher immer wieder zu, woraufhin sie gut gelaunt in der nächsten Ecke mit dem nächsten Loch beginnen. Kaninchen, die mit erdverdreckten Gesichtern aus ihrem gerade gebuddelten Loch gucken, sind übrigens extrem niedlich.

Am Freitag sortiere ich kleine Erinnerungsstücke der "12 Geschworene"-Produktion und packe sie in Goodie-Bags. Nach der letzten Vorstellung soll jeder noch etwas mitnehmen - außer Erfahrung, Spaß, Applaus und eigenen Erinnerungen.

Es liegen allerdings keine Springmesser in den Tüten, auch wenn die besonders erinnerungswürdig wären. Was ich jetzt mit den zwei funktionierenden Springmessern in meinem Alltagsleben mache, weiß ich auch noch nicht. Ach, ich habe ja auch noch zwei Ersatz-Springmesser, die nicht zum Einsatz kamen. Was mache ich nur mit vier Springmessern? Vielleicht schmiere ich mir demnächst damit Butter aufs Brötchen. Diese einfache Handlung würde mit einem Springmesser sofort einen dramatischen Ansatz bekommen. 

Mit der Samstags-Vorstellung beschließen wir die Auftritte in der Kleinen Bühne. Das Publikum lobt schon in der Pause sehr und wir freuen uns am Ende über die vielen begeisterten Kommentare. Dann packen wir ziemlich schnell Tische, Stühle, Wasserspender, Ventilator und allen Kleinkram ein, um alles am nächsten Tag im großen Saal wieder auszupacken. Die große Dernière. Das wird spannend. Und ein bisschen traurig.

          
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